Datenrettung bei Festplatten findet unter besonders reinlichen Bedingungen statt. In der allgemeinen Vorstellung laufen Menschen mit Masken und Handschuhen in Reinräumen umher, was zwar nicht der üblichen Praxis entspricht, jedoch im Idealfall eigentlich notwendig wäre. Das Ergebnis: Am Markt tummeln sich wesentlich mehr schlechte Datenretter als Gute. Warum das so ist, erklären wir in diesem Beitrag.
Was Sie über die Datenrettung bei Festplatten wissen sollten
Vorweg ein wenig Grundlagenwissen:
Auf der schematischen Darstellung sind die unterschiedlichen Module einer Festplatte zu erkennen. Dazu gehören:
- Der Motor
- Die Schreib- Lese-Einheit (bestehend aus Antrieb, Arm und Schreib- Leseköpfen)
- Die Magnetscheiben (disks)
- Die Steuerungselektronik (Platine)
- Daten-, Strom- und Konfigurationsport
Quelle des Schemas: Encyclopaedia Britannica
Um Schreib-/Leseköpfe an einer Festplatte auszutauschen wird meist spezielles Werkzeug benötigt, da im Gehäuse aufgrund von schlecht gesetzten Verschraubungspunkten kein Platz für handelsübliches Werkzeug ist. Wenn man die Leseköpfe austauschen möchte, entnimmt man diese aus einer Halterung innerhalb der HDD. Hierbei würden die Leseköpfe ineinander zusammen fallen und sich so gegenseitig beschädigen, wenn man nicht ein entsprechendes Werkzeug einsetzt, welches den Abstand zwischen den einzelnen Sensoren bewahrt.
Thema Oberfläche (etwas umfangreicher):
Ihre Festplatte besitzt N Festplattenscheiben (disks), die jeweils doppelseitig (oben und unten, jede disk hat 2 Schreib- Lesearme) beschrieben sind. Die gesamte Anzahl der Oberflächen berechnet sich also aus 2 x N = Gesamtzahl der Oberflächen. In unserem Beispiel nehmen wir 5 disks, also 2x5 = 10 Oberflächen an. Um nun den Zustand der Oberflächen zu analysieren gibt es folgende Möglichkeiten:
1) "Erster Eindruck" nach öffnen der HDD: ist dort Abrieb sichtbar ja oder nein? Abrieb = Schleifspuren und daher der worst case (siehe Foto oben). Wie sieht die oberste Oberfläche aus?
2) Analyse der übrigen Leseköpfe: Zuerst wird die oberste Oberfläche in Augenschein genommen, doch wie sehen nun die übrigen 9 aus? -> Anstelle die einzelnen Festplattenscheiben herauszuziehen (zu großes Risiko und zu aufwendig, daher nur durchgeführt sofern wirklich nötig) sieht man sich nun die übrigen Schreib-/Leseköpfe unter dem Mikroskop an. Hintergrund ist, dass wenn Schleifspuren direkt auf den Sensoren sichtbar sind spricht das für Beschädigungen auf gleicher Oberfläche.
Verformter Lesekopf der untersten Magnetscheibe
Auf der untersten Magnetscheibe befinden sich sowohl auf der Ober- als auch Unterseite nicht nur Ihre Daten, sondern auch die festplatteneigene Firmware (eigenes kleines Betriebssystem (OS) der Festplatte, auch ServiceArea genannt).
In der ServiceArea sind Module, sogenannte Systemfiles, die jeweils Ihre eigenen Aufgaben besitzen. So gibt es Module mit Sicherheitsinformationen (für jene HDD mit Verschlüsselung), Fehlerlisten (Stichwort G-list, P-list) und auch z.B. welche die Parameter für die Leseköpfe beinhalten.
Das Wichtige: hier unterscheidet man in Module, die festplattenspezifisch (sprich einzigartig) sind oder welche, die mit dem gleichen Modul einer baugleichen HDD ausgetauscht werden dürfen. Hier wird als eine Spenderfestplatte benötigt, die auf Kosten des Datenretters bestellt werden muss, bevor überhaupt Daten ausgelesen werden können.
Ein Laborergebniss, dass z.B. die Oberfläche zu stark beschädigt ist, kann daher heißen, dass die Bereiche aus der Servicearea nicht lesbar gewesen sind bzw. essentielle Module fehlen und die HDD sich daher nicht initialisieren ließe. Beschädigungen die durch grobfahrlässiges Handeln entstanden sind lassen sich direkt erkennen (falsch eingebaute Schreib-/Leseköpfe, "unnatürliche" Beschädigungen durch Berührung der Oberfläche etc.).
Ansonsten ist auch ein Indikator, wenn die Festplatte mit Staub oder Fingerabdrücken im Inneren verunreinigt sein sollte, dass die Beschädigung erst im Nachhinein entstanden sein können.
Es gibt auch diverse Stellen, an der der vorherige Anbieter gescheitert sein könnte. Z.B. fehlendes Werkzeug, das vom Hersteler der Festplatte aus gesperrte Tech Unlock oder nicht passende Teilespender.
Ein großes Thema z.B. beim Hersteller Seagate ist, dass sich auf dem Schreib-/Lesekopfarm eine sogenannte Vorverstärkerschaltung (PreAmp) befindet. Hiervon gibt es etliche verschiedene Versionen (unterscheiden sich in der internen Firmware). Nur ein Teilespender mit identischen PreAmp kann auch auf der Oberfläche lesen.
So gab es in der Vergangenheit bereits etliche Fälle, dass vorheriger Anbieter eine zu schlechte Oberfläche festgestellt haben, obwohl einfach der neu eingebaute Teilespender überhaupt nicht kompatibel gewesen ist und daher nicht ausgelesen werden konnte.